Geräusch
Der Ford Explorer rollte leise über den Dschungelpfad. Sie folgten einem Wildwechsel, der vom Grat hinunter zum Hochstand im Tal führte.
Thorne fuhr. An Malcolm gewandt, meinte er: »Sie haben vorher gesagt, Sie wüßten, warum die Dinosaurier ausgestorben sind …«
»Na ja, ich bin mir ziemlich sicher, daß ich es weiß«, erwiderte Malcolm. »Die Ausgangssituation ist ganz einfach.« Er setzte sich etwas aufrechter hin. »Die Dinosaurier entstanden in der Trias, vor ungefähr 228 Millionen Jahren, und breiteten sich während des Jura und der Kreidezeit über die ganze Erde aus. Für etwa 150 Millionen Jahre waren sie die beherrschende Lebensform dieses Planeten – und das ist eine ziemlich lange Zeit.«
»Wenn man sich überlegt, daß wir erst drei Millionen Jahre hier sind«, sagte Eddie.
»Nur nicht überheblich werden«, sagte Malcolm. »Ein paar armselige Affen sind seit drei Millionen Jahren hier. Wir nicht. Als solche erkennbare menschliche Wesen gibt es auf diesem Planeten erst seit 35 000 Jahren. So alt sind die Höhlenbilder in Frankreich und Spanien, die unsere Vorfahren gemalt haben, um Erfolg bei der Jagd heraufzubeschwören. 35 000 Jahre. Erdgeschichtlich ist das überhaupt nichts. Wir sind gerade erst angekommen.«
»Okay …«
»Und natürlich haben wir bereits vor 35 000 Jahren Tierarten ausgerottet. Die Höhlenbewohner haben so viel Wild erlegt, daß auf verschiedenen Kontinenten Tiere ausstarben. In Europa gab es damals Löwen und Tiger. In der Gegend des heutigen Los Angeles gab es Giraffen und Nashörner. Mein Gott, vor 10 000 Jahren jagten die Vorfahren der eingeborenen Amerikaner das Mammut bis zur Ausrottung. Das ist nichts Neues, diese menschliche Neigung –«
»Ian.«
»Nun ja, das ist eine Tatsache, auch wenn ein paar moderne Hohlköpfe das für was ganz Neues halten –«
»Ian. Wir haben von Dinosauriern gesprochen.«
»Richtig. Dinosaurier. Also, 150 000 Millionen Jahre lang waren die Dinosaurier auf diesem Planeten so erfolgreich, daß es bei Beginn der Kreidezeit 21 Familiengruppen gab. Ein paar Familien, wie die Camarasauridae und die Fabrosaurier, waren ausgestorben. Aber die überwältigende Mehrheit der Dinosaurierfamilien war in der gesamten Kreidezeit aktiv. Und plötzlich, vor ungefähr 65 Millionen Jahren, starben alle aus. Nur die Vögel blieben übrig. Die große Frage ist also – was war das?«
»Ich dachte, Sie wissen es«, sagte Thorne.
»Nein, ich meine, was war das für ein Geräusch? Haben Sie nichts gehört?«
»Nein«, sagte Thorne.
»Anhalten«, sagte Malcolm.
Thorne hielt an und schaltete den Motor aus. Sie kurbelten die Fenster herunter und spürten die schwüle mittägliche Hitze. Es war praktisch windstill. Sie horchten eine Weile.
Thorne zuckte die Achseln. »Ich höre nichts. Was glauben Sie denn, was Sie –«
»Pst.« Malcolm streckte den Kopf zum Fenster hinaus, hielt sich die Hand ans Ohr und horchte angestrengt. Kurz darauf zog er den Kopf wieder zurück. »Ich hätte schwören können, daß ich einen Motor gehört habe.«
»Einen Motor? Sie meinen, einen Verbrennungsmotor?«
»Ja.« Er deutete in Richtung Osten. »Es klang, als würde es von da drüben kommen.«
Sie horchten noch einmal, hörten aber nichts.
Thorne schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Benzinmotor auf der Insel ist, Ian. Hier gibt’s ja kein Benzin.«
Das Funkgerät klickte. »Dr. Malcolm?« Es war Arby, aus dem Caravan.
»Ja, Arby.«
»Wer ist sonst noch hier? Auf der Insel?«
»Was meinst du damit?«
»Schalten Sie Ihren Monitor an.«
Thorne schaltete den Monitor am Armaturenbrett an. Sie sahen eine Aufnahme von einer der Überwachungskameras. Das schmale, steile Osttal war zu erkennen. Sie sahen eine Hügelflanke, Schatten unter den Bäumen. Ein Ast behinderte die Sicht. Alles war vollkommen unbeweglich. Es war nicht das geringste Zeichen von Aktivität zu erkennen.
»Was hast du gesehen, Arby?«
»Schauen Sie mal genau hin.«
Durch die Blätter sah Thorne kurz Khaki-Stoff aufblitzen, dann noch einmal. Er erkannte, daß es ein Mensch war, der halb gehend, halb rutschend die steile Hügelflanke herunterkam. Eine kleine, kompakte Gestalt, kurze, dunkle Haare.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Malcolm lächelnd.
»Sie wissen, wer das ist?«
»Ja, natürlich. Es ist Sarah.«
»Na, dann holen wir sie wohl besser ab.« Thorne griff nach dem Mikro, drückte die Sprechtaste. »Richard«, sagte er.
Es kam keine Antwort.
»Richard? Können Sie mich empfangen?«
Wieder keine Antwort.
Malcolm seufzte. »Super. Er antwortet nicht. Hat wahrscheinlich beschlossen, einen Spaziergang zu machen. Beobachtungen anzustellen …«
»Das fürchte ich auch«, sagte Thorne. »Eddie, nimm dir das Motorrad und sieh nach, was Levine jetzt treibt. Nimm dir ein Lindstradt mit. Wir holen Sarah ab.«